Auf der Spur von Bruce Maddox
Hinweis: Spoiler für die ersten fünf Episoden von Star Trek Picard
Die fünfte Episode von Star Trek Picard mit dem Titel “Keine Gnade” startet mit einer für die Serie ungewöhnlich gruseligen Rückblende in das Jahr 2386. In einer schäbig aussehenden Einrichtung sehen wir den ehemaligen Borg Icheb (Casey King) gefesselt auf einer Liege. Ihm wird gerade ein Auge entfernt. Er leidet dabei große Schmerzen, da er nicht einmal betäubt ist. Außerdem scheint er nicht der einzige Borg zu sein, der dort seiner Teile beraubt wird.
Icheb ist Star Trek Voyager Fans durch seine tiefe Freundschaft mit Seven Of Nine (Jeri Ryan) bekannt. Da wundert es nicht, dass diese am Ende der Szene erscheint, um ihn zu retten. Doch sie kommt zu spät. Icheb kann sie nur noch darum bitten, ihn zu töten, um seine Qual zu beenden. Widerwillig erfüllt sie ihm diesen Wunsch.
In einer weiteren Rückblende springen wir nur zwei Wochen zurück in die Vergangenheit. In Stardust City auf dem Planeten Freecloud sehen wir Bruce Maddox (John Ales) im Unterschlupf der eiskalten Schmugglerin Bjayzl (Necar Zadegan). Maddox brauchte für seine Forschungen zu synthetischem Leben ihre finanzielle Unterstützung. Doch nachdem der Tal Shiar sein Labor zerstört hat, kann er seine Schulden nicht begleichen. Daraufhin betäubt Bjayzl den Forscher. Sie will ihn an den Tal Shiar übergeben.
Bruce Maddox auf der Spur
Auf der La Sirena erfährt Jean-Luc Picard (Sir Patrick Stewart), dass Seven of Nine mittlerweile zu den Fenris Rangern gehört. Dabei handelt es sich um eine ungebundene militärische Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, all denen zu helfen, die in den ehemaligen Gebieten des Romulanischen Imperiums leben und Schutz brauchen. Denn die Föderation hat die Gebiete nach der Supernova völlig sich selbst überlassen. Als Picard ihr erzählt, dass er ebenfalls jemanden beschützen möchte, will Seven ihm helfen.
In einer kurzen Szene sehen wir daraufhin noch, wie Dr. Agnes Jurati (Alison Pil) sich ein Video von ihr mit Bruce Maddox anschaut. Dadurch kommt heraus, dass die beiden während ihrer gemeinsamen Forschung zu einem Paar wurden. Der Rest der Crew ahnt davon nichts. In der Zwischenzeit hat Raffi Musiker (Michelle Hurd) herausgefunden, dass Maddox sich in der Gewalt von Bjayzl befindet. Die Crew um Picard weiß jetzt, dass ein Deal mit der Tal Shiar stattfinden soll.
Maddox muss befreit werden, bevor das geschieht. Doch der Unterschlupf von Bjayzl ist äußerst gut bewacht. Aber die Crew erfährt, dass die Klinik, in der Borg ausgeschlachtet wurden, Bjayzl gehört. Die macht ihr Geschäft damit, die geraubten Borg Teile zu verkaufen. Darum wäre Seven Of Nine, die außerordentlich viele solcher Teile in ihrem Körper trägt, eine wertvolle Beute für Bjayzl.
Eine skurrile Rettungsmission
Mit diesem Wissen entwickelt die Crew auf der La Sirena einen hastig zusammengewürfelten Rettungsplan. Picard, Elnor (Evan Evagora) und Cristóbal Chris Rios (Santiago Cabrera) geben sich als Facer aus, eine Art Kopfgeldjäger. Sie tun so, als hätten sie Seven of Nine gefangen genommen, und bieten diese im Tausch für Maddox an. Sobald sie Maddox haben, soll Dr. Agnes Jurati die gesamte Bande auf die La Sirena beamen. Facer sind für ihre Extravaganz bekannt. Das beschert uns unter anderem den ehrwürdigen Sir Patrick Stewart in einer etwas übertriebenen Verkleidung als Pirat.
Auf Freecloud angekommen, löst sich Raffi von der Gruppe, um ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Es stellt sich heraus, dass sie einen Sohn hat, der sich im medizinischen Sektor von Stardust City befindet. Raffi sucht ihn auf, um sich bei ihm für ihre Drogensucht zu entschuldigen und eine zweite Chance zu bekommen, für ihn da zu sein. Doch als dieser es ablehnt, sie wieder in sein Leben zu lassen, muss sie schmerzhaft feststellen, dass einige Fehler sich nicht wieder gut machen lassen.
Die fünfte Episode verfolgt damit eine etwas andere Struktur als die bisherigen Folgen. Neue Ereignisse auf dem Borg Kubus werden kaum gezeigt. Stattdessen fokussieren sich Jonathan Frakes und Michael Chabon darauf, die Vergangenheit von Picards Crewmitgliedern näher zu beleuchten. Die Macher von Star Trek Picard haben bisher gezeigt, dass sie in der Lage sind, den bekannten Helden neue Facetten zu verleihen. Hier gelingt es nun auch, den neuen Figuren mehr Leben einzuhauchen.
Eine Rettung fast ohne Schwierigkeiten
Die Rettung von Bruce Maddox verläuft ein bisschen anders als geplant. Seven of Nine hat Picard verschwiegen, dass Bjayzl für den Tod von Icheb verantwortlich ist, und sie ihren eigenen Plan geschmiedet hat, um Bjaylz zu töten. Sie musste nur dicht genug an sie herankommen. Picard und die anderen kriegen Maddox. Sie aber bleibt zurück und bekommt ihre Rache. Doch Picard versucht sie davon zu überzeugen, dass Rache nichts an ihrer Trauer ändern wird. Aber es ist Rios, der mit einer lässigen Logik dafür sorgt, dass Seven von ihrem Plan abweicht.
Wenn sie Bjaylz jetzt tötet, würden nämlich Picard, Rios und Elnor zu flüchtigen Mördern erklärt werden. Seven habe Bjayzl einmal gefunden, sie könne es wieder tun. Also tauscht Bjayzl ihr Leben gegen das von Maddox ein, und die gesamte Crew kehrt mit dem befreiten Forscher auf die La Sirena zurück. Die Rettung verlief damit zwar nicht ganz nach Plan, aber die Szenen sind nicht so aufregend, wie die vorherige Lagebesprechung vermuten ließ. Maddox Befreiung ist damit ein bisschen spannungsarm geraten. Dafür sind alle Szenen mit Patrick Stewart und Jeri Ryan so gut wie erhofft. Die Chemie zwischen den Figuren und den Schauspielern macht ihre Interaktionen zum Highlight der Episode.
Die nächste große Überraschung
Aber dann kommt die Handlung zum Ende der Folge noch einmal gewaltig in Schwung. Denn auf der La Sirena erfährt Picard von Maddox nicht nur den Namen von Soji Asha (Isa Briones), sondern auch, dass sie sich auf dem Borg Kubus aufhält. Maddox selbst hatte sie dorthin geschickt. Sie soll herausfinden, warum die Erschaffung synthetischen Lebens wirklich verboten wurde. Denn laut Maddox steckt dahinter eine Verschwörung, an der sowohl Romulaner als auch Mitglieder der Föderation beteiligt sein sollen.
Damit bestätigt er eine Annahme, die von Raffi Musiker schon mehrmals im Laufe der Serie geäußert wurde. Diese ist nach der Abweisung durch ihren Sohn zwischenzeitlich auf die La Sirena zurückgekehrt. Als Picard daraufhin klar wird, dass er zum Borg Kubus muss, flammen die Erinnerungen an Star Trek: Der erste Kontakt wieder auf. Denn Jean-Luc wurde schließlich selbst einmal von den Borg assimiliert. Und wie er Seven gesteht, hat er bis heute nicht das Gefühl, seine Menschlichkeit voll und ganz zurückerlangt zu haben.
Atemlos folgt abschließend noch einmal ein weiterer Twist. Dr. Agnes Jurati tötet Bruce Maddox, indem sie sein medizinisches Genesungsprogramm sabotiert. Die in bisherigen Folgen geradezu drollig wirkende Expertin für synthetische Lebensformen sieht keinen anderen Ausweg, um ihre Fehler wieder gut zu machen. Wir erfahren nicht, was sie damit meint. Sie redet davon, etwas gesehen zu haben, was sie nicht vergessen kann, und das sie zu diesen schockierenden Handlungen bewegt. Könnte das etwas mit dem Auftreten von Commodore Oh aus der dritten Episode zu tun haben? “Keine Gnade” gibt uns keine Antwort.
